Infos
Wann?
24. September 12:00
Wo?
Opernplatz vor der Alten Oper
Warum?
Aufruf
Uproot the System!
Wir rufen alle Generationen zum Globalen Klimastreik am 24.09. auf! Auch in Frankfurt gehen wir auf die Straße, um für eine klimagerechte Welt zu kämpfen – denn diese steht nicht auf dem Wahlzettel.
Die zerstörerischen Folgen der Klimakrise werden jeden Tag sichtbarer. Naturkatastrophen wie riesige Überschwemmungen häufen sich weiter. Die Klimakrise hat schon längst begonnen. Trotzdem hat auch kurz vor der zur angeblichen „Klimawahl“ ausgerufenen Bundestagswahl keine Partei einen Plan zur Erfüllung des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaabkommens. Klimaschutz und Klimagerechtigkeit stehen auf jedem zweiten Wahlplakat, aber dafür ausreichende Maßnahmen finden sich in keinem einzigen Wahlprogramm. Die Entscheidung der Bundestagswahl ist nicht, ob die Klimakrise gestoppt wird oder nicht, sondern wie viel schlimmer sie werden wird. Wir haben keine Wahl!
Dabei sind diejenigen, die am härtesten von der Klimakrise getroffen werden, junge Menschen und Menschen im Globalen Süden, von diesen Entscheidungen ausgeschlossen. Gleichzeitig führen der Zwang zu unendlichem Wachstum auf einem endlichen Planeten und die Orientierung an Profit anstatt an ökologischen und sozialen Bedürfnissen in der Wirtschaft dazu, dass die nötige Veränderung in diesem System unmöglich ist. Diese Voraussetzungen stehen einer klimagerechten Zukunft im Weg. Auf dem Wahlzettel stehen sie aber nicht, sie können nicht abgewählt werden.
Diese Wahl bietet uns nur die Möglichkeit das kleinere Übel zu wählen, wir müssen die nötige Veränderung selbst herbeiführen. Das, was uns bleibt, ist gemeinsam, alle, überall auf die Straße zu gehen! Wir sagen der alltäglichen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen den Kampf an und legen den Grundstein für ein gutes Leben für alle! Also streikt mit uns am 24.09! Für das Leben – gegen den Kapitalismus, denn wir haben keine Wahl!
Inhaltliche Ausarbeitung
Warum Klimawahlen nicht funktionieren.
A – Einleitung
Noch nie war die Dringlichkeit, die Klimakrise aufzuhalten, größer. Bereits jetzt werden unumkehrbare Kipppunkte erreicht, die das Aufhalten der Klimakrise zunehmend erschweren. Wie im neuen IPCC-Report beschrieben, brauchen wir sofortige und drastische Emissionsreduktionen und einen weitgehenden Umbau vieler Bereiche unserer momentanen Gesellschaft, wie auch Wirtschaft. Dabei scheint die Bundestagswahl 2021 als angebliche „Klimawahl“ vielen als geeignetes Mittel, diese Ziele zu erreichen.
Der Diskurs im Wahlkampf ist aber weit entfernt von der Realität der Klimakrise, denn keine der im Bundestag vertretenen Parteien hat einen Plan für das Einhalten des 1,5 Grad Ziels oder gar eine klimagerechte Zukunft. Die Gründe für diese Diskrepanz von Realität und parlamentarischem Handeln werden allerdings kaum genannt.
Gleichzeitig wird häufig auch innerhalb der Bewegung die Ansicht vertreten, dass wir als Klimagerechtigkeitsbewegung einfach nur laut sein und möglichst unüberhörbar appellieren müssen und dann würde irgendwann die Regierung mit dem Plan für Klimagerechtigkeit kommen. Warum aber die Bundestagswahl keine Lösung bietet und was wir stattdessen tun sollten, wollen wir hier erläutern.
B – Der fossile Status Quo
Die seit Jahrzehnten ungenügende Klimapolitik ist keine Folge von Inkompetenz, mangelndem Willen oder fehlenden Mitteln, sondern ein grundlegend systemisches Problem. Der Handlungsspielraum des Parlaments ist begrenzt und die Veränderungen, die eine sozial-ökologische Transformation mit sich bringen muss, sprengen offensichtlich den Rahmen des parlamentarisch Machbaren. Denn überzeugt von Klimagerechtigkeit sind im Bundestag ja scheinbar ohnehin (fast) alle, so zumindest der Anschein, der zu erwecken versucht wird. Und wissenschaftlich ist die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft klar möglich. Dennoch halten die Parteien nahezu einhellig an einer Art der fossilen Politik fest, die zwangsläufig in die Katastrophe führt.Das hat viel damit zu tun, wie Repräsentation im Parlament funktioniert, wie das Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie in einem kapitalistischen Staat ausgestaltet wird und welche Mechanismen und Strukturen durch den konsequenten klimagerechten Umbau der Gesellschaft infrage gestellt würden.
Besonders offensichtlich wird das Problem an der grundlegenden Frage, wessen Interessen im Bundestag eigentlich vertreten werden. Denn dabei handelt es sich ausschließlich um Erwachsene mit deutscher Staatsbürgerschaft, wobei tendenziell auch noch in dieser Gruppe marginalisierte und einkommensschwächere Gruppen unterrepräsentiert sind. Im Gegensatz zu dieser Zusammensetzung treffen die Folgen der Klimakrise jene am stärksten, die zeitlich und/oder räumlich nicht an ihrem Entstehen beteiligt waren, also junge Menschen und Menschen aus dem Globalen Süden (mapa: most affected people and areas). Die Folgen der Klimakrise entfalten sich also in doppelter Asymmetrie, d.h. die Interessen jener, die die Folgen der Klimakrise erleben und erleben werden, können im Bundestag und allgemein in den Parlamenten des industriellen Nordens (der kapitalistischen Metropolen) nicht vertreten werden. Das führt dazu, dass mangels zu repräsentierender Betroffener niemand im Bundestag ein Interesse an klimagerechter Politik hat.
Parlamentarische Politik funktioniert aber nicht nach Parametern wie Überzeugungskraft, emotionaler Betroffenheit oder gutem Willen, sondern richtet sich primär nach Interessen, die ihren Einfluss auf diese gelten machen. Und einer klimagerechten Zukunft stehen mächtige Interessen der fossilen Wirtschaft entgegen, die mit politischen Interessen verknüpft sind und großen Einfluss auswirken. Gleichzeitig wirft die Dekarbonisierung einer Gesellschaft hinsichtlich ihrer sozialen Einbettung, der Neugestaltung großer Wirtschaftsbereiche und in ihrem Verhältnis zu bisherigen Prinzipien unserer Wirtschaftsweise verschiedene Fragen zur Gestaltung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft auf, die ebenfalls eine „Gefahr“ für den Status Quo darstellen.
Die Art und Weise, wie wirtschaftliche Interessen – ob einzelner Unternehmen oder ganzer Branchen, ob lokal im Wahlkreis oder durch die Marktmacht multinationaler Konzerne – sich auf Politik auswirken, ist ein massives Hindernis für einen klimagerechten Umbau der Gesellschaft. Denn in vielen Fällen gibt es einen direkten Widerspruch zwischen den Interessen wirtschaftlicher Akteure und klimagerechten Veränderungen in deren Bereich. Ob Energiewirtschaft, Schwerindustrie, Autokonzerne, konventionelle Landwirtschaft, globalisierte Logistik oder Rohstoffabbau – in jedem dieser Bereiche geht es um Milliardensummen an Gewinnerwartungen, deren Mehrwert gerade daraus resultiert, dass „kostenlose“ Güter der Natur und menschliche Arbeitskraft ausgebeutet und zerstört werden.
Gleichzeitig ist der Staat, um seine Funktionsweise beibehalten zu können, von einer profitablen und wachsenden Wirtschaft (aka Kapitalakkumulation und -verwertung) abhängig. Er befindet sich im permanenten globalen Wettbewerb und ist in internationalen Verträgen und durch Institutionen wie IWF, WTO oder Weltbank an die Wahrung bestimmter kapitalistischer Prinzipien gebunden. Eben diese Prinzipien, die seit Jahrzehnten entpolitisiert und dereguliert werden, stehen außerhalb des Handlungsspielraums des Parlaments und verunmöglichen damit auch alle parlamentarischen Reformen, die diesen Prinzipien zuwiderlaufen. Selbst wenn eine Regierung entscheidet, dem zuwider zu handeln, wird sie, durch internationalen Druck, die Abwanderung von Unternehmen, dem Versiegen der Staatseinnahmen und einhergehenden sozialen Problemen, ihre Ziele zwangsläufig nicht erreichen können.
Verschiedene Annahmen werden also von allen Parteien im Wahlkampf vorausgesetzt und erscheinen dementsprechend alternativlos. So stehen Profitorientierung und unendlicher Wachstumszwang auf einer endlichen Erde ebenso wenig zur Debatte wie „Eigentumsfreiheit“ und wirtschaftliche „Rechtssicherheit“, wobei diese dazu führen, dass bereits geschlossene zukünftige Verträge, die allein schon eine Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels unmöglich machen würden, kaum demokratisch verändert werden können. Als ebenso gesetzt und unanfechtbar präsentiert werden die Kontrolle von Finanzmärkten über Investitionen, die nach Profitmöglichkeiten, nicht nach sozialen und ökologischen Bedürfnissen gesteuert werden, die Externalisierung gesellschaftlicher und ökologischer Kosten im Produktionsprozess, sowie die Privatisierung von Gewinnen bei Sozialisierung von Verlusten. Und weil eine Politik, die klimagerechte 1,5-Grad ermöglicht, diese Prinzipien automatisch infrage stellt, steht sie noch nicht einmal in den Wahlprogrammen, geschweige denn, dass sie nach der Wahl umgesetzt werden könnte.
Um klimagerechte Veränderung denkbar zu machen, müssen die Bedingungen, unter denen Politik gemacht wird, selbst politisiert werden, anstatt sie kritiklos gleichsam als, wie Angela Merkel sagt: „marktkonforme Demokratie“ zu akzeptieren. Anstatt nur formal über einen kleinen Bereich von „Politik“ indirekt, zyklisch und durch kapitalistische Zwänge massiv eingeschränkt entscheiden zu können, bräuchte es für die sozial-ökologische Transformation eine materiale Demokratie, in der auch die Ökonomie, Investitionsentscheidungen mit ihren Auswirkungen, Arbeitsverhältnisse, die Art wie wir unsere Lebensverhältnisse gestalten und uns als Gesellschaft umfassend organisieren, nicht Profitlogik und Wachstumszwang, sondern demokratischer Kontrolle und bedürfnisorientierten Entscheidungen unterworfen sind.
Diese Strukturen zu schaffen, wird jedoch quasi unmöglich gemacht durch das kapitalistische Wirtschaftssystem, das sich auf alle Bereiche politischen Handelns auswirkt. Der dem Kapitalismus inhärente Konkurrenzzwang führt dazu, dass sich Staaten seinen Zwängen anpassen/unterwerfen müssen, um auf dem Weltmarkt überleben zu können. Imperialistische Expansion und neokoloniale Praktiken in Handels-, Entwicklungsländer- und Außenpolitik erschließen immer größere Teile der Erde für den Markt und unterwerfen sie seinen Prinzipien. Globale wirtschaftliche Prozesse werden entpolitisiert und dereguliert (siehe Freihandelsverträge, „Entwicklungsprogramme“, Steuerflucht, Lohndumping, Outsourcing, etc.) und tragen wirtschaftlich, politisch, ideologisch zur Unanfechtbarkeit kapitalistischer Prinzipien bei. Das äußert sich auch in einer Form des Standortnationalismus, die sich zum Beispiel in der Unantastbarkeit der hiesigen Autoindustrie zeigt, trotz ihrer massiven Schädlichkeit; aber sie führt auch dazu, dass Investitionen in gesellschaftlich relevante Bereiche, insbesondere die sozial-ökologische Transformation mangels Profitabilität einer „Stärkung des Standorts“ durch niedrige Steuern, Subventionen an bestimmte Wirtschaftsbereiche, Sozialabbau, etc. untergeordnet werden. Diese Konkurrenz führt zu einer Abwärtsspirale, die nicht durchbrochen werden kann, weil jeder einzelne Staat ihr unterworfen ist. Die Antwort auf diese Katastrophe heißt System Change in internationaler Solidarität.
C – Radikale Demokratie
Die kommende Bundestagswahl als „Klimawahl“ zu deklarieren und zu hoffen, dass durch eine möglichst „progressive“ neue Regierung der Wandel gebracht wird, ist also keine Lösung. Denn häufig setzen die Prinzipien und Voraussetzungen unseres fossilen Kapitalismus den Möglichkeiten des Parlaments Grenzen und Klimagerechtigkeit kann und wird unter derartigen Voraussetzungen nicht realisiert werden. Diesem Zustand setzen wir die zwingende Notwendigkeit einer klimagerechten Zukunft entgegen. Und um diese tatsächlich zu realisieren, müssen wir uns über einen neuen, vollständigeren Demokratiebegriff Gedanken machen, der nicht durch derartige äußere Zwänge, wie sie aktuell im fossilen Kapitalismus existieren, eingeschränkt wird. Wir brauchen echte und ständige Partizipation und nicht nur Repräsentation, wir müssen gemeinsam souverän und autonom Entscheidungen treffen können. Wir brauchen eine Vorstellung von Demokratie, die vom einzelnen Menschen ausgeht, und nicht dort schon wieder aufhört, wo fossile Interessen ins Spiel kommen.Einen Demokratiebegriff, der uns unser Zusammenleben und unsere Beziehungsweisen als Freie und Gleiche solidarisch organisieren und gestalten lässt, ohne dass der Zwang ökonomischer Interessen, die zerstörerischen Prämissen kapitalistischer Wirtschaft jedes gemeinsame Entscheiden unmöglich machen.
Wir brauchen einen radikalen Demokratiebegriff als Wurzel unseres Kampfs, der auf menschliche Gemeinschaften und nicht auf Paragraphen, Zahlen und fossile Energie aufbaut, der künstliche Grenzen zwischen Menschen überwindet, anstatt die natürlichen Grenzen der Erde zu überschreiten. Wir dürfen Demokratie nicht nur als „alle vier Jahre einmal die selben alten Parteien wählen“ eh verstehen,Demokratie darf nicht bedeuten einmal alle vier Jahre wählen zu gehen, sondern muss der Grundbaustein unserer unseres Alltags sein und in Beziehungsweisen und Problemen der Menschen allgegenwärtig sein; basisdemokratisch, lokal und dezentral organisiert. Wir brauchen einen radikalen Demokratiebegriff, der seine Augen den zahlreichen Krisen unserer Zeit gegenüber nicht verschließt und in der Lage ist, die notwendigen Antworten zu geben und umsetzen. Denn der Zweck unserer Demokratie kann es nicht sein, die zerstörerischen alte Welt zu verteidigen; es muss um den Aufbau des neuen, klimagerechten Morgens gehen. Für das Leben – gegen den Kapitalismus.
Dabei ist ein radikales Demokratieverständnis, welches unser Weg hin zur klimagerechten Zukunft ist, kein rein theoretischer Einwand gegen das Märchen der Klimawahl und die damit einhergehenden rein appellativen Proteste; es ist auch keine abstrakte, utopische Konzeption, die wir irgendwann in der perfekten Welt haben werden; unser Verständnis einer radikalen, materialen Demokratie ist Ursache und Anfang, Mittel und Rahmen, Zielsetzung und Utopie unseres Kampfs für Klimagerechtigkeit in einem. Sie ist dieser Kampf und jede Kampfhandlung bedingt und erschafft sie zugleich. Wir wollen und leben Demokratie im Jetzt, weil wir keine Zeit mehr haben zu warten. Und weil sie im Jetzt ist, kann sie nie fertig, abgeschlossen sein. Fragend schreiten wir deshalb voran auf diesem Weg. Demokratie ist unsere Beziehungs- und Organisierungsweise, zugleich ist sie nur der Anfang einer viel umfassenderen gesellschaftlichen Demokratisierung. Sie ist Partizipation, ist Ungehorsam als erzwungenes Element der Partizipation in einem Alten, das uns sonst keine Möglichkeiten mehr bietet; zugleich Negation dieses Alten und Affirmation eines Neuen zu schaffenden und in diesem Augenblick geschaffenem.
D – Fazit
Warum schreiben wir diesen Text? Wir wollen niemanden vom Wählen abhalten, niemandem Diskussionen, Auseinandersetzungen, die vielfältigen Politisierungsmöglichkeiten rund um die Wahl wegnehmen. Die Wichtigkeit und die Aufmerksamkeit, die mit ihr einhergeht, wollen wir aufnehmen und produktiv weiterentwickeln. Wir wollen aber der Illusion und der Hoffnung, die sich mit Begriff Klimawahl verbinden, entgegenwirken. Wenn unser Text vor allem eine politische Analyse der Möglichkeiten dieser Wahl ist, so ist seine Zielsetzung, seine Botschaft eine strategische: Es gibt keinen positiven Ausgang dieser Wahl. Die relativen Unterschiede zwischen verschiedenen Szenarien, die es durchaus gibt, sind aufgrund der systemischen Zwänge und Einschränkungen viel zu geringfügig, als dass ein Fokus auf diese Differenzierung Sinn ergäbe. Unsere Aufgabe als außerparlamentarische Klimagerechtigkeitsbewegung muss sein, die Bedingungen, unter denen es so weit kommen konnte, zu politisieren und Perspektiven der Veränderung aufzuzeigen. Wir haben keine Wahl und deshalb dekonstruieren wir den fossilen Parlamentarismus, der uns eine Wahl vortäuscht, und die Zwänge, denen er unterliegt. Wir zeigen auf, was Demokratie bedeuten könnte und wie wir sie heute leben können. Und um nicht von den gleichen Zwängen, die auch unsere momentane parlamentarische Demokratie beschränken, eingeengt zu werden, müssen wir uns außerhalb dieser organisieren. Ungehorsam ist unsere einzige Möglichkeit der Partizipation im alten System, ist Schrei der Verzweiflung der keine-Wahl-habenden und beinhaltet zugleich die Möglichkeit des Neuen. Dieser Text ist eine Abrechnung, ja, er ist aber zugleich eine Einladung, mitzukommen. Auf eine Reise in die klimagerechte Welt von Morgen, auf eine Reise zu radikaler Demokratie, zu diesem Horizont, den wir heute schon ergreifen können.